Der Momlom - Märchen von einem der im Bett blieb, um das Fürchten zu verlernen.
Der Momlom ist ein Kobold, er kommt immer wenn es still ist, in der Regel, um Kindern das Einschlafen schwerer zu machen. Der Momlom erscheint in allen möglichen Formen. Als ich Kind war, sprang er zum Beispiel im Winter aus einem kleinen Loch in der Herdplatte des eisernen Ofens an die Decke des Schlafzimmers und führte dort schauerliche Tänze auf. Er rüttelte im Ofeninneren und machte dort die unterschiedlichsten Geräusche. Es zischte und fiepte oft ganz schrecklich, so das ich mich nicht traute einzuschlafen. Ich griff dann ganz fest an die Stangen des Metallbettes und hielt mich fest, um nicht in einem unbedachten Moment durch den Momlom aus dem Bett gezerrt zu werden.
Bald merkte ich allerdings, das der Momlom außer das er erschien, sonst eigentlich gar nichts anstellte. Manchmal, wenn ich fast eingeschlafen war, wanderte er als großer Schatten durch das Zimmer in dem ich schlief, einmal hatte er sogar einen Hut auf.
Ich glaube, ich lag wie ein lebloser Stein im Bett und beobachtete den Momlom durch meine geschlossenen Augenlider hindurch, wie er als großes, flächiges schwarzes Wesen durch das Zimmer ging. Manchmal machte es sich unsere Katze
Minou in dem Zimmer, in dem ich schlief bequem. Sie hatte keine Angst vor dem Momlom, glaube ich.
Wenn er es zu doll trieb, maunzte und miaute sie herum und sprang, um mir beizustehen auf mein Bett, legte sich ans Fußende auf die Steppdecke und paßte auf mich auf, bis ich eingeschlafen war. Ganz schlimm waren die Nächte, in denen der Momlom offensichtlich nicht ins Zimmer hineinkam. Dann blies er ums Haus und weil das Zimmer in dem ich schlief unter dem Dach lag, pfiff und heulte er um den Giebel und die Radioantenne, das es nur so schepperte. Vor dem Fenster packte er sich die Spitzen der großen Pappeln und bog sie fast bis zum Boden, so das sie wie Flitzebögen aussahen.
Er hatte Kraft, der Momlom, wenn er wollte. Ich glaube er hatte Spaß daran, mir ein wenig Angst zu machen. Der Momlom konnte aber auch zaubern. Einmal in einer kalten Winternacht, es war stockfinster als ich ins Bett ging und dankbarer weise schnell einschlief, wachte ich tief in der Nacht auf und fand das Zimmer in ein zauberhaftes Licht getaucht. Mond und Sterne strahlten vom Himmel und draußen war alles in weiße Watte eingepackt. Ich öffnete das Fenster und stiepte mit meinem Finger in den Schnee auf der Fensterbank. Mich wunderte, das die Fabrik, die in ziemlicher Entfernung stand, auch Nachts Geräusche machte.
Minou, unser Kätzchen, stiefelte neugierig durch den frisch gefallenen Schnee und zappelte sich, ein über das andere Mal, die Schneekristalle von den Pfötchen. Dann strich der Momlom mir mit seinen kalten Fingern über das Gesicht, und bedeutete mir, das ich das Fenster wieder schließen sollte, um mich nicht zu erkälten. Es war so schön im Zimmer und vor dem Haus. Ich schlüpfte wieder ins Bett, das der Momlom schön kuschelig warm gehalten hatte. Bevor ich einschlief kitzelte er mich noch einmal mit seinem kalten Finger am Nacken, so das mir ein behaglicher Schauer über den Rücken kribbelte und ich glücklich einschlief.
Der Momlom war eigentlich ein netter Kerl, besonders auch, wenn ich aus grauslichen nächtlichen Traumabenteuern in mein Bett zurückpurzelte, nahm er mich in seine warmen Arme und trocknete mir die schwitzige Stirn. Man kann sagen, das er mit der Zeit eigentlich zu meinem Freund geworden ist und vieles wäre viel weniger aufregend gewesen, wenn, ja wenn er mich als Kind nicht so oft im Dunkeln besucht hätte.
Kurzgeschichte von Achim Wagner